Im europäischen Vergleich hat Österreich einen der höchsten Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern, ebenso wie eine der höchsten Teilzeitquoten von Frauen: Jede zweite Frau ist teilzeitbeschäftigt, dreiviertel aller Mütter mit Kindern unter 15 Jahren sind teilzeitbeschäftigt. Im dritten Quartal 2022 gaben mehr als 65.000 Mütter an erwerbstätig zu sein, aber gerne mehr Stunden arbeiten zu wollen.
Gleichzeitig herrscht in Österreich aber sowohl ein Mangel an Plätzen bei den Kleinkindern unter 3 Jahren, als auch an ganztägigen und ganzjährigen Öffnungszeiten. Österreichweit haben 14% der Kinderbetreuungseinrichtungen bis max. 14:00 geöffnet, regional reicht dieser Anteil von 0% in Wien bis 38% in der Steiermark. Die durchschnittliche Zahl der Schließtage ist österreichweit 22,3 Tage, jedoch haben noch immer 7% aller Kinderbetreuungseinrichtungen 51 und mehr Schließtage.
29,1 % der Unter-3-Jährigen haben einen Platz in einer Kinderbetreuungseinrichtung oder bei einer Tagesmutter. Es fehlen noch immer mehr als 10.000 Betreuungsplätze um das so genannte Barcelona Ziel, das eigentlich bis 2010 ausgegeben wurde, von 33% zu erreichen. Bei den 3-5-Jährigen beträgt die Betreuungsquote zwar 93,8%, Probleme gibt es hier jedoch vor allem mit den Öffnungszeiten, nur 49,3% der 3-6-Jährigen haben einen Platz, der Eltern einen 8-Stundenarbeitstag ermöglicht. In ganz Österreich sanken diese sogenannten VIF-Quoten sogar im Vergleich zum Vorjahr, bei den Unter-3-Jährigen beispielsweise um 4 Prozentpunkte auf knapp 60%.
Je ländlicher eine Region ist, umso seltener sind die Öffnungszeiten für die Vereinbarkeit von Beruf und Familien geeignet.
Die Kindergartensituation variiert insgesamt stark zwischen den Bundesländern. Während in Wien 43,1 % und im Burgenland 34,5 % der 0-2-Jährigen in einer Krippe oder Krabbelstube angemeldet sind, trifft das in der Steiermark und in Oberösterreich auf nur je 17,8 % dieser Altersgruppe zu. Und: Je ländlicher eine Region ist, umso seltener sind die Öffnungszeiten für die Vereinbarkeit von Beruf und Familien geeignet. Die Statistik Austria hat im Auftrag der AK Wien die Plätze nach VIF-Quoten und den Kategorien dicht, mittel oder dünn besiedelten Gebieten erarbeitet: In dünn besiedelten Regionen ist nicht einmal 1/3 der Kinder von 0-2 Jahren in VIF-konformen Einrichtungen. Bei den 3-5-Jährigen sind es nur 28,1%. Bei den dicht besiedelten Regionen gibt es deutlich mehr VIF-konforme Einrichtungen: 88,5% bei den unter 3-Jährigen Kindern und 85,5% bei den 3-5-Jährigen Kindern werden in einer VIF-konformen Einrichtung betreut.
Schlusslicht ist Oberösterreich: nur 9,6% der 3-5-jährigen Kinder und 4,8% der unter 3-Jährigen Kinder sind in einer VIF-konformen Einrichtung. Aber auch für Eltern in Vorarlberg ist es besonders schwierig: 4,8% bei den 3-5-Jährigen und 12,7% bei den unter 3-Jährigen Kindern sind in einer VIF-Einrichtung.
Dabei entscheidet qualitativ hochwertige Kinderbildung über Zukunftschancen: Kinder, die den Kindergarten besucht haben, verbleiben nicht nur länger im Bildungssystem, sondern erzielen auch eher einen höheren Bildungsabschluss und damit ein höheres Einkommen. Kinderbildung ist eines der wichtigsten Instrumente, Chancengerechtigkeit unabhängig vom sozioökonomischen Status der Eltern sicherzustellen und ist somit auch entscheidend für die Verhinderung der Vererbung von Armut.
So ist beispielsweise im Alter von fünf Jahren die Kluft zwischen benachteiligten und privilegierten Kindern bereits sehr groß: etwa 12 Monate bei wichtigen kognitiven Entwicklungen wie Lese- und Rechenfähigkeiten, noch größer ist die Differenz bei der sozial-emotionalen Entwicklung, wie die Aufmerksamkeit aufrechterhalten zu können oder Impulse und Emotionen kontrollieren zu können. Bei den meisten benachteiligten Kinder ist damit ihr späterer Werdegang bereits begrenzt und sozio-ökonomische Nachteile vorprogrammiert.
Insofern ist es völlig unverständlich wieso die Ausgaben für Kinderbetreuung und Elementarbildung in Österreich deutlich unter dem OECD- und EU-Schnitt liegen und auch die Betreuungsschlüssel im internationalen Vergleich eher schlecht sind: So kommt in Österreich auf eine/n Pädagog:in im Kindergarten 25 Kinder. Wissenschaftliche Erkenntnisse empfehlen die Reduzierung von Gruppengrößen je nach Alter der Kinder in einer bestimmten Gruppenform: Für junge Kinder bis zum 3. Lebensjahr wird ein Fachkraft-Kind-Schlüssel von 1:3 bis maximal 1:6 empfohlen, für Kindergartenkinder im Alter von 3 bis 6 Jahren je nach Altersverteilung ein Schlüssel von 1:5 bis max. 1:10.
Das von der Europäischen Kommission beauftragte European Community Network on Childcare (ECNC) empfahl zumindest 1% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) als Ausgabenniveau für qualitätsvolle Kinderbildung notwendig, dies entsprich auch dem Ausgabenniveau auf den OECD-Durchschnitt und würde eine Steigerung von um 1 Mrd. jährlich mehr für Österreich bedeuten.
Zudem braucht es endlich ein gesellschaftliches Umdenken und das Wahrnehmen der Chancen, die eine qualitative Kinderbetreuung im Sinne der hohen Relevanz frühkindlicher Bildung bietet, ebenso wie als eine der wichtigsten Maßnahmen, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wirklich zu ermöglichen und damit als zentral für die Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt.
Katharina Mader ist Ökonomin in der Frauenabteilung der Arbeiterkammer Wien und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der WU Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen bei Feministischer Ökonomie, Care-Ökonomie und unbezahlter Arbeit.
Fotocredits: Elsa Okazaki