Trotz steigender Zahlen von psychischen Erkrankungen wird das Thema mentale Gesundheit noch kaum in Unternehmen thematisiert. Im Gegenteil: Für viele Arbeitgebende ist es noch immer ein Tabu-Thema, weil es mit Schwäche und einer verringerten Leistungsfähigkeit gleichgesetzt wird. Doch es ist bereits 5 vor 12: Wir brauchen endlich eine Mental Health Culture!
Laut einer karriere.at Studie gaben 48% der Befragten an, dass die Pandemie ihr berufliches Stresslevel negativ beeinflusst habe. Als psychisch belastend werden Zeit- und Leistungsdruck, Mobbing, ständige Erreichbarkeit & Verfügbarkeit aber auch finanzieller Druck und Angst vor Jobverlust genannt.
Klima- und Wirtschaftskrise, Pandemie, Krieg, Inflation. Viele große Ereignisse prasseln da gerade auf uns ein. Schon lange war unsere Resilienz nicht so gefordert wie derzeit, denn all diese Themen haben unmittelbare Auswirkungen auf uns selbst. Nicht nur im privaten Umfeld bekommt man diese Krisen durch Familie, Freunde und Bekannte zu spüren. Oft wird das eigene berufliche Umfeld auch dadurch geprägt: Die einen bangen um ihre finanzielle Zukunft, die anderen spüren den stark gestiegenen Leistungsdruck, der kaum zu ertragen ist. Laut einer karriere.at Studie gaben 48% der Befragten an, dass die Pandemie ihr berufliches Stresslevel negativ beeinflusst habe. Als psychisch belastend werden Zeit- und Leistungsdruck, Mobbing, ständige Erreichbarkeit & Verfügbarkeit aber auch finanzieller Druck und Angst vor Jobverlust genannt.
Harte Zeiten für die mentale Gesundheit
Schon vor der Pandemie wurde der Druck gefühlt von Jahr zu Jahr größer. Durch den Digitalisierungsschub der letzten 2 Jahre wurde dazu auch das Tempo erhöht. Höher, schneller und weiter. Doch wie lange kann das noch gutgehen? Laut ILO sterben jährlich 745.000 Menschen weltweit an den Folgen von zu langen Arbeitszeiten. Das übersteigt sogar die Anzahl derer, die an Arbeitsunfällen versterben. Burnout ist schon lange kein Modebegriff mehr. Er hält bereits Einzug in viele Unternehmen und verursacht nicht nur lange Krankenstände, sondern, in besonders schweren Fällen, auch Arbeitsunfähigkeit, die ein Leben lang anhält – bis hin zu Suizid. Arbeiten wir also in einer toxischen Arbeitskultur?
Es fehlt der Sinn in der Tätigkeit
Besonders die letzten beiden Jahre haben uns verdeutlicht, wie wichtig faire Arbeitsbedingungen und eine Arbeitskultur auf Augenhöhe sind. Jene Branchen und Unternehmen, die dies bis heute nicht erkannt haben, kämpfen besonders mit dem Fachkräftemangel. Viele Mitarbeitende in Sozial- und Pflegeberufe, in der Gastronomie und Hotellerie, aber auch medizinisches Personal sehen oft keinen Sinn mehr in ihrer Tätigkeit, fühlen sich ausgelaugt, erschöpft und geben den Kampf für faire Entlohnung auf. Ganze Branchen wurden in den letzten Jahren kaputtgespart. Die Auswirkungen sind für uns alle spürbar.
Kein Fokus auf mentale Gesundheit
Wirft man einen Blick in die Rechtsprechung, so steht dort groß die Fürsorgepflicht von Arbeitgebenden geschrieben. Wie diese jedoch in der Praxis ausgelegt wird, obliegt jedem Unternehmen selbst. So meinen 68% der Befragten, dass Gesundheit in ihrem Unternehmen keineswegs oder kaum ausreichend thematisiert, wird. Zumindest manche setzen bereits auf Betriebliches Gesundheitsmanagement, welches die Gesundheitsprävention von Mitarbeitenden im Fokus hat. Workshops, Vorträge und Sportangebote finden sich dort meistens im Repertoire. Der Erhalt der Leistungsfähigkeit wird Großteils immer noch über physische Gesundheit definiert: Bei 62% der Studienteilnehmer:innen gibt es überhaupt kein Angebot rund um die mentale Gesundheit von Mitarbeitenden.
Hilfe, ich brenne!
Die Mehrheit der Berufstätigen fühlt sich derzeit erschöpft. Genau genommen sind es 56,9 %, wie eine aktuelle Umfrage von Auctority in Deutschland zeigt. In der Altersgruppe der 30 bis 40jährigen sind es sogar 73%. Trotz dieser alarmierenden Zahlen gelten psychische Erkrankungen in der Arbeitswelt immer noch als Tabu-Thema. Man sei einfach zu schwach, solle sich nicht so anstellen oder diese stressige Phase einfach durchtauchen. Diese Floskeln helfen niemanden, besonders nicht den betroffenen Personen. Ich habe bereits für mich festgestellt, dass derzeit zwar sehr viele Ressourcen für die Gewinnung neuer Talente freigemacht werden. Sobald die Talente dann ins Unternehmen kommen, lässt man sie jedoch ausbrennen. Ein Paradoxon unserer Zeit. Dabei wäre beiden Seiten geholfen auf gesunde, faire und vor allem nachhaltige Arbeitsbedingungen zu setzen sowie das Thema mentale Gesundheit endlich zu Entstigmatisieren.
Lasst uns gemeinsam zu Hilfe kommen!
Höher, schneller und weiter war gestern! Eine ausgewogene Mental Health Culture ist heute. Wir dürfen es nicht mehr goutieren, wenn Kolleg:innen bis tief in die Nacht an Projekten arbeiten, weil der Workload einfach zu hoch ist. Es ist nicht erstrebenswert, wenn der Urlaub nicht konsumiert wird, weil es die Arbeit nicht zulässt. Noch weniger ist es sinnvoll, Urlaube zum Abarbeiten zu nutzen oder ständig erreichbar zu sein. Ich weiß, wir haben es nicht zu 100% selbst in der Hand, weil das Unternehmen als System gewisse Strukturen und kulturelle Ausprägungen vorgibt. Doch jede:r von uns kann einen Beitrag leisten, in dem wir auf Missstände aufmerksam machen und offen mit unserer mentalen Gesundheit umgehen.
Stell dir vor du brennst und niemand kommt dir zu Hilfe! Was wir bildlich gesprochen unter keinen Umständen zulassen würden, geschieht jedoch auf der psychischen Ebene tagtäglich in unserer Arbeitswelt. Lasst uns doch endlich den Eimer Wasser holen!
Andrea König ist Soziologin & Business Coach und hat sich mit ihrem Blog „Karrieregeflüster | Dein Trend-Echo aus der neuen Arbeitswelt“ zum Ziel gesetzt, New Work erlebbar zu machen. Seit über 10 Jahren ist sie bereits im Bereich Human Resources im Umfeld eines Großkonzerns tätig. Dabei hat sie schon zahlreichen Menschen geholfen, sich in der neuen Arbeitswelt entwickeln und entfalten zu können. Ihren Antrieb holt sie sich aus ihrem Gespür für Trends & gesellschaftsrelevanten Themen, sowie ihrer Empathie und Leidenschaft für die Arbeitswelt der Zukunft. Ihr könnt ihr auf LinkedIn, Instagram, Facebook oder Twitter folgen.