Diversität
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Sustainable Diversity - Verschränkt in die Zukunft

Das Managen von Vielfalt wird komplexer und ressourcenintensiver, hat aber die Chance - endlich - substanzieller zu werden.

Diversität und Nachhaltigkeit. Diese Begriffe sind im Kontext von Unternehmens- und (Gesellschafts-)Politik nicht mehr wegzudenken. Aber was bedeuten sie überhaupt? Darüber könnte nicht nur ein eigener Blog sondern gleich ganze Bücher (und von denen gibt es bekanntermaßen auch schon sehr viele) gefüllt werden. Machen wir es kurz: Diversität ist in unserer sich stets verändernden und heterogenen Gesellschaft ein Faktum und eine Notwendigkeit, aber auch eine menschenrechtliche Haltung, sich für kontextuell marginalisierte Gruppen, wie beispielsweise Menschen mit Behinderung und Personen unterschiedlicher Herkünfte oder Geschlechtsidentitäten, einzusetzen, diese zu empowern und dabei niemanden zurückzulassen. Diese empathische und altruistische Grundeinstellung trifft auch den Kern von Nachhaltigkeit/nachhaltiger Entwicklung, die für aktuelle und genauso für zukünftige Generationen eine lebenswerte Welt erhalten bzw. schaffen soll. 

Eines haben die zwei inzwischen inflationär gebrauchten Termini gemeinsam: Beide haben zum einen den Ruf alles und zugleich nichts auszusagen. Zum anderen strahlen sie aus Marketingperspektive eine nachvollziehbare Attraktivität aus: Wer möchte sich schließlich nicht das Label nachhaltig und vielfältig umhängen. Das größte Problem dabei? Die Inkongruenz. Das, was auf den Websites, den Hochglanzbroschüren oder in den Mission Statements angepriesen wird, ist in der gelebten Organisationskultur und im täglichen Miteinander in den Büros häufig nicht drin. Die Folgen: Pink-, Rainbow- und Greenwashing.

Die Kongruenz und damit ein ganzheitliches und nachhaltiges Diversitätsmanagement zu implementieren, sollte das Ziel jeder Organisation und  jedes Unternehmens sein. Da die Diskurse, vor allem jener der Diversität, sehr dynamisch sind und zunehmend komplexer werden, stellt dies eine große organisatorische Herausforderung dar. Aber nun die gute Nachricht: der kollektive Kraftakt lohnt sich.

Werfen wir zunächst einen genauen Blick auf Diversität. 

Was sind Musts hinsichtlich der Implementierung von Strategien?

- Commitment: Für die Implementierung von Diversität braucht es unbedingt eine echtes Commitment und eine Strategie, die von der Geschäftsleitung nicht nur top down in Auftrag gegeben wird, sondern umfassend unterstützt und intern mittels eines Wandelprozesses für alle umsetzbar und annehmbar gemacht wird. Aus struktureller Sicht ist die Anbindung eines ganzheitlichen Diversity-Teams auf der Geschäftsführungsebene maßgeblich, ansonsten besteht die „Gefahr“, dass es ein reines Recruiting-Thema wird oder bleibt.

- Ressourcen: Ohne entsprechende personelle und infrastrukturelle Ressourcen ist keine Diversitätsstrategie umzusetzen. Räume für Reflexionen zu schaffen, ist ebenso zentral wie die personellen Ressourcen selbst. Die Ressource “Zeit” sollte berücksichtigt werden: Veränderungsprozesse in Organisationen sind keine kurzfristigen Unterfangen. Diese Prozesse sind iterativ.

- Teamarbeit: Diversität ist eine mehrdimensionale und verschränkte Materie und ist für eine Person weder inhaltlich noch prozessual zu stemmen. Der Diskurs wird komplexer, etwa das so wichtige Miteinbeziehen von Geschlechtervielfalt (der dritte Personenstand) und Accessibility in Strategien. Diversität ist kein Solo-Lauf, sondern ein Team-Effort.

- Partizipation: Teilhabe von Mitarbeitenden (bottom up) sollte möglichst zu einem frühen Zeitpunkt des Prozesses ermöglicht werden, so können diverse Verbündete und damit viele Perspektiven mitgenommen und Backlashes vermieden werden.

- Kommunikation: Marketing und Kommunikation erfüllen einen wichtigen Part im Bereich des Diversitätsmanagements: nicht nur zum Weltfrauentag, im Pride-Month oder am Tag der Inklusion - sondern jeden Tag. Eine verflochtene Kommunikation mit Diversitätsverantwortlichen ist ein Schlüssel, Diversitätskompetenzen in den Marketingabteilungen ebenso. Kommunikation hilft uns, das dominante Silodenken zu durchbrechen.

Wenn diese Punkte verfolgt werden, kann von einem nachhaltigen Diversitätsmanagement gesprochen werden.

Wie sieht es mit der Diversität im Kontext von Nachhaltigkeit aus?

Die drei Säulen von Nachhaltigkeit stellen das Zusammenwirken der ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Dimension dar. Diese finden wir im künftig für Unternehmen verpflichtenden ESG-Reporting (Environmental, Social, and Governance) wieder, auch wenn das „S“ noch wenig Substanz hat. Zudem stellt das Modell der Donut-Ökonomie von Kate Haworth die essentielle Verbindung der ökologischen und sozialen Anforderungen grafisch mit Kreisen sehr gut dar. Auch das Framework der Sustainable Development Goals (SDG) der UNO (Agenda 2030) vereint die unterschiedlichen Dimensionen und die 17 Nachhaltigkeitsziele: Von Klimaschutz über menschenwürdige Arbeit bis zur Gleichstellung der Geschlechter. Die soziale Dimension von Nachhaltigkeit kommt - trotz des Grundsatzes der Agenda 2030 „Leave no one behind“ (Niemanden zurücklassen) - im derzeitigen SDG-Diskurs zu kurz. Fragen der sozialen Dimensionen sind jene Fragen von Diversität, Inklusion und Gleichstellung: Arbeitszeitverkürzung (SDG 8), die einen Hebel für eine fairere Verteilung von Care-Arbeit darstellt, der Abbau von Barrieren für Menschen mit Behinderungen und die Bekämpfung des Gender Pay Gaps. 

Es ist an der Zeit, Diversität mit Nachhaltigkeit zu verschränken und zusammen zu denken. Das Bündeln von Prozessen darf aber nicht bedeuten, Ressourcen zu kappen. Ganz im Gegenteil: die Ressourcen in Organisationen für die Zukunftsthemen Diversität und Nachhaltigkeit sollten erhöht werden. Ganz im Sinne einer nachhaltigen organisationalen Entwicklung.

- von Maciej Palucki, Diversitätsmanagement BOKU Wien